Rede der Sektion Bau bei der Westfield-Eröffnung am 8.4.

Herzlich Willkommen! Wir sind die Freie Arbeiter*innen Union Hamburg. Wir sind eine Basisgewerkschaft. Das bedeutet, dass wir alle Arbeiter*innen vertreten. Außerdem verlassen wir uns nicht auf die sogenannte „Sozialpartnerschaft“. Warum wir nicht daran glauben? Genau deswegen sind wir hier.

Vor 10 Jahren kamen 8 Arbeiter in das Lokal unseres Berliner Syndikats. Sie hatten ihren Lohn nicht erhalten. Die Männer mussten in einem Container bei Minusgraden schlafen. Sie waren Wanderarbeiter der Mall-of-Shame. Elvis Iancu sagte darüber: „Warum werden wir mit Gleichgültigkeit und Verachtung behandelt? Braucht Deutschland nicht Arbeitskräfte, die wenig oder gar nicht bezahlt werden? Ist das nicht eine maskierte Sklaverei?“ [1]

Es ging um etwa 3000€ pro Person, überlebenswichtig für die Arbeiter und ihre Familien. Die FAU klagte erfolgreich gegen ihre Unternehmen – diese meldeten Insolvenz an. Die FAU klagte erfolgreich gegen den Hauptunternehmer – dieser meldete Insolvenz an. Die FAU klagte gegen den Investor – den Berliner Millionär Harald Huth – bis zum Arbeitsgericht in Thüringen. Es gab ihnen Unrecht. [2] What the fuck?

Deswegen glauben wir nicht an die Sozialpartnerschaft. Deswegen kämpfen wir für uns. Deswegen verlassen wir uns nicht auf rein juristische Kämpfe. Deswegen müssen wir uns selbst organisieren und keine Stellvertretergewerkschaft für uns kämpfen lassen. Weil wir das häufig nicht alleine können, kämpfen wir zusammen für unsere Rechte.

Am 30. Oktober 2023 fast 10 Jahre nach den tapferen Kämpfen in Berlin – stürtzten fünf albanische Bauarbeiter 8 Stockwerke in die Tiefe. Der Eisenflechter Astrit Xheka, Vater von zwei Kindern und drei weitere Albaner waren sofort tot. Alfred Visha – Vater von drei Kindern – der sein Haus in Albanien noch decken wollte, starb wenige Tage später im Krankenhaus. [3] Drei Tage später war der Schacht geräumt, gestrichen und es ging weiter als wäre nichts gewesen. Einem Mitarbeiter der Berufsgenossenschaft Bau, der den Tatort untersuchen musste, merkt man 2024 bei einem Interview noch seine Betroffenheit über den Vorfall an. Er war da, hat die vier Leichensäcke gesehen und die darauf abgelegten Handys gehört, die fortwährend klingelten. [4]

Die fünf albanischen Bauarbeiter waren aus ähnlichen Motiven hier wie Elvis Iancu, Bogdan & Gioni Droma und die anderen Berliner Arbeiter. Allerdings kamen sie aus Albanien mit gefälschten italienischen Pässen. Sie kamen, weil der Lohn hier höher ist als in Albanien. Sie kamen, weil sie dachten, die Arbeit sei sicher. In Deutschland, dem Land der Regeln, dem größten Land der EU, dem Land dem Arbeiter*innen egal sind, wenn sie nicht Matthias, Dirk oder Katharina, sondern Bogdan, Mohammed oder Pavel heißen. Dem Land, in dem Investor*innen geschützt werden, während Arbeiter*innen sich verschleißen, während alleinerziehende Mütter jeden Euro umdrehen müssen, in dem Menschen aus Städten verdrängt werden, während Geflüchtete bangen müssen, abgeschoben zu werden.

Während der Lohnraub in Berlin eine Schande war, ist der Tod von Alfred und Astrit eine Tragödie. Während der Prozess in Berlin und Erfurt beschämend für das sogenannte „deutsche Rechtssystem“ ist, haben bei Westfield alle Systeme versagt. Hier in Hamburg haben vor anderthalb Jahren alle versagt. Karen Pein – die Bausenatorin hat versagt. Der Senat hatte bereits versagt, als sie Unibail-Rodamco beauftragten, die Bürgerschaft versagte immer wieder, die Baustelle und die mangelnde Arbeitssicherheit auf die politische Agenda zu setzen. Sämtliche Behörden und Ämter für Arbeitsschutz sowie die oberste Bauaufsicht haben versagt. Die BG Bau hat versagt, die Baustelle rechtzeitig – vor diesem Unfall – dicht zu machen. 

Und auch: Die Sozialpartnerschaft hat versagt, die sich auch die IG BAU wünscht, die Alfred, Astrit und all die anderen Toten und Verwundeten nicht geschützt hat.

Nur Westfield hat nicht versagt, Dirk Hühnerbein und Jean-Marie Tritant, von Unibail-Rodamco-Westfield. Sie feiern heute – und dafür hassen wir sie! Wir wollen sie nicht hassen. Wir hassen sie auch nicht als Menschen. Wir hassen sie für die Entscheidungen, die sie in den letzten Jahren getroffen haben. Für Profit über Menschen, für die Entscheidung für fahrlässige Generalunternehmer, für den Lohndruck, die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen, für die Inkaufnahme von Verletzungen und – wie im schlimmsten Fall – dem Tod.

Mit ihnen feiern heute der Bürgermeister Peter Tschentscher, der Senat und weitere sogenannte Hamburger „Würdenträger*innen“. What the fucking fuck?

Dagegen halten heute wir, die FAU Hamburg, die junge BAU mit dem Motto „Eure Mall, unser Grab.“ und weitere Anwohner*innen und Netzwerke, die dem Aufruf gefolgt sind, wie demorave und die Linke.

Lohnraub und mangelnde Sicherheit sind nur zwei von zahlreichen Problemen auf dem Bau. Wir können uns dagegen nur selbst wehren. Auch auf dem Bau müssen wir stärker aufeinander achten. Die Solidarität untereinander ist wichtiger als die Erfüllung des Auftrags. Es wird schwer, sehr schwer. Wir müssen Sprachbarrieren überwinden. Wir müssen mafiöse Strukturen bekämpfen. Wir müssen die arrogante Ignoranz des Senats anprangern. Aber vor allem müssen wir unsere Spaltung überwinden.

Wir müssen erkennen, dass der Kampf gegen Rassismus, Antisemitismus, das Patriarchat, und rechte Ideologie Schattierungen unseres Kampfes für ein gutes Leben sind.

Wir müssen gemeinsam Profitgier bekämpfen!

Keine Party auf Kosten der toten Arbeiter!

Boykottieren wir Westfields Mall of Death!

Lasst uns solidarischen Widerstand aufbauen!

Es wird schwer, aber wir haben ein Leben zu verlieren und eine Welt zu gewinnen!

Quellen

[1] Iancu, E. (2015). Rede von Elvis Iancu am April 2015 vor der Mall of Shame in Berlin. Übersetzung aus dem Rumänischen. In: Lackus, H. & Schell, O. (Hg., 2020) Mall of Shame. Kampf um Würde und Lohn. Rückblicke, Hintergründe und Ausblicke. Berlin: Die Buchmacherei.

[2] FAU Berlin (2020). Chronologie der Ereignisse. Juli 2014 – Oktober 2019. In: Lackus, H. & Schell, O. (Hg., 2020) Mall of Shame. Kampf um Würde und Lohn. Rückblicke, Hintergründe und Ausblicke. Berlin: Die Buchmacherei.

[3] https://www.spiegel.de/panorama/hamburg-tote-albanische-schwarzarbeiter-in-der-hafen-city-das-kurze-leben-des-alfred-visha-a-e5d46265-bd7b-4bce-83cf-e69939126d8d

[4] https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Unfall-auf-Baustelle-in-Hamburg-Viertes-Todesopfer-geborgen,arbeitsunfall168.html

Aufruf: Keine Party auf Kosten der toten Arbeiter!

Keine Party auf Kosten der toten Arbeiter!

Seit 2015 lässt Unibail-Rodamco-Westfield in der Hafencity für 1.6 Mrd. Euro eine neue Luxusmall, Luxusappartments, ein Kreuzfahrtterminal und ein Hotel bauen. Ein vorheriger Investor war abgesprungen und nach der Kostenkatastrophe der Elbphilharmonie sollten die Ausgaben extrem gedrückt werden. Dies führte zur Vernachlässigung von Hygienebestimmungen, Einsatz von Arbeiter*innen zu niedrigsten Löhnen und mangelhaftem Arbeitsschutz.

Dieser Profitgier fielen mehrere Arbeiter zum Opfer: Durch einen Unfall am 30.10.2023 starben fünf albanische Bauarbeiter. Zuvor war bereits ein rumänischer Kollege gestorben und bis heute sind viele weitere verletzt worden. Eine Eröffnungsfeier der Mall soll – als wäre nichts geschehen – am 8.4. stattfinden: Morgens die Investor*innen mit Stadtplanung und Senat unter sich und nachmittags ab 16 Uhr mit Einladung für das gemeine Volk.

Wir fordern alle Anwohner*innen und Arbeitenden der Hafencity dazu auf, euch mit eigenen Solidaritätsaktionen zu beteiligen. Lasst uns alle durch Plakate, Transparente, Flashmobs, Sticker und weitere eigene Aktionen zeigen, dass uns die toten und verletzten Bauarbeiter nicht egal sind!

Ideen für Sprüche und Forderungen findet ihr hier:

  • Keine Party auf Kosten der Toten!
  • Solidarität mit Alfred Visha, Astrit Xheka und den anderen Getöteten!
  • Eure Mall, unser Grab
  • People over profits!
  • Wir wollen leben, nicht kaufen!
  • Generalunternehmerhaftung, jetzt!
  • Ein Denkmal für die Verstorbenen!
  • Sichere Arbeitsbedingungen auf dem Bau für Alle!
  • Lohndiebstahl durch Unternehmen bestrafen!
  • Kontrolle der Unternehmen, statt Illegalisierung der Arbeitenden!
  • Schnelle Entschädigungen für verunfallte Arbeitende und Hinterbliebene!
  • Für Streiks bei schweren Unfällen!
  • Solidarität mit allen Bauleuten!
  • Mehr Lohn und weniger Arbeitshetze!

No party at the expense of dead workers!

Since 2015, Unibail-Rodamco-Westfield has been building a new luxury mall, luxury apartments, a cruise terminal and a hotel in Hafencity for more than 1.6 billion euros. A previous investor had backed out and after the cost catastrophe of the Elbphilharmonie concert hall, expenditure was to be extremely reduced. This led to the neglect of hygiene regulations, lowest wages and inadequate work safety.

Several workers fell victim to this greed for profit: Five Albanian construction workers died in an accident on 30.10.2023. A Romanian colleague had already died beforehand and many more have been injured to date. An opening ceremony for the mall is to take place on 8 April – as if nothing had happened: In the morning, the investors with city planning and the Senate among themselves and in the afternoon from 4 pm with an invitation for the regular folks.

We call on all residents and workers in Hafencity to participate with their own solidarity actions. Let us all show through posters, banners, flash mobs, stickers and other actions of our own that we care about the dead and injured construction workers!

You can find ideas for slogans and demands here:

Împreună împotriva galei care a costat viețile a 6 muncitori

Din 2015, Unibail-Rodamco-Westfield construiește în Hafencity un mall de lux, apartamente exclusiviste, un terminal pentru vase de croazieră și un hotel, cu un buget de 1,6 miliarde de euro. Un investitor anterior s-a retras, iar după dezastrul financiar al sălii de concerte Elbphilharmonie, s-a impus reducerea drastică a costurilor. Acest lucru a dus la ignorarea normelor de igienă, exploatarea muncitorilor pe salarii dezastruoase și o lipsa totală a măsurilor de siguranța la locul de muncă.

Consecința acestei goane după profit: mai mulți muncitori au plătit cu viața lor! Pe 30 octombrie 2023, cinci muncitori albanezi au murit într-un accident. Înainte de acest incident, un coleg român își pierduse deja viața, iar numeroși alți muncitori au fost răniți până în prezent. Cu toate acestea, mall-ul urmează să fie inaugurat pe 8 aprilie, ca și cum nimic nu s-ar fi întâmplat: Dimineața, investitorii, împreună cu reprezentanții urbanismului și ai Senatului, iar după-amiaza, de la ora 16:00, cu o ceremonie deschisă publicului larg.

Facem apel la toți locuitorii și lucrătorii din Hafencity să se alăture acțiunilor de solidaritate. Să arătăm împreună că viețile muncitorilor decedați și răniți nu sunt și nu vor fi uitate!

Puteți găsi idei pentru sloganuri și revendicări aici:

Asnjë parti në kurriz të punëtorit të vdekur!

Që nga viti 2015, Unibail-Rodamco-Westfield ka ndërtuar një qendër të re
luksoze, apartamente luksoze, një terminal lundrimi dhe një hotel në
Hafencity për 1.6 miliardë euro. Një investitor i mëparshëm ishte tërhequr
dhe pas katastrofës së kostos së Elbphilharmonie, shpenzimet do të
shkurtoheshin jashtëzakonisht. Kjo çoi në neglizhencën e rregullave të
higjienës, përdorimin e punëtorëve me pagat më të ulëta dhe sigurinë
joadekuate në punë.

Disa punëtorë ranë viktimë e kësaj lakmie për fitim: pesë punëtorë ndërtimi
shqiptarë vdiqën në një aksident më 30 tetor 2023. Një koleg rumun tashmë
kishte vdekur dhe shumë të tjerë janë plagosur deri më sot. Ceremonia e
hapjes së qendrës tregtare është planifikuar të zhvillohet më 8 prill,
sikur asgjë të mos kishte ndodhur: Në mëngjes investitorët do të takohen me
urbanistikën dhe Senatin, ndërsa pasdite nga ora 16:00 do të jetë i ftuar
publiku i gjerë.

U bëjmë thirrje të gjithë banorëve dhe punëtorëve në Hafencity që të marrin
pjesë me aksionet e tyre solidare. Le të tregojmë të gjithë me postera,
transparenz, flash mobe, ngjitëse dhe veprime të tjera se punëtorët e
ndërtimit që kanë vdekur ,dhe ato që janë lënduar nuk janë të parëndësishëm
për ne.

Këtu mund të gjeni ide për thënie dhe kërkesa:

Ölü inşaat işçileri pahasına parti olmaz!

Unibail-Rodamco-Westfield 2015 yılından bu yana Hafencity’de 1.6 milyar Euro’ya yeni bir lüks alışveriş merkezi, lüks daireler, bir kruvaziyer terminali ve bir otel inşa ediyor. Daha önceki bir yatırımcı geri çekilmişti ve Elbphilharmonie konser salonunun maliyet felaketinden sonra harcamaların son derece azaltılması gerekiyordu. Bu durum hijyen kurallarının ihmal edilmesine, en düşük ücretlerle işçi çalıştırılmasına ve iş sağlığı ve güvenliğinin yetersiz kalmasına yol açtı.

Çok sayıda işçi bu kâr hırsının kurbanı oldu: 30 Ekim 2023 tarihinde meydana gelen bir kazada beş Arnavut inşaat işçisi hayatını kaybetti. Romanyalı bir meslektaşları daha önce ölmüştü ve bugüne kadar çok sayıda işçi de yaralandı. Hiçbir şey olmamış gibi 8 Nisan’da alışveriş merkezi için bir açılış töreni düzenlenecek: Sabah saatlerinde şehir planlama ve Senato ile yatırımcılar kendi aralarında ve öğleden sonra saat 16:00’dan itibaren halk için bir davetle.

Hafencity’deki tüm sakinleri ve çalışanları kendi dayanışma eylemleriyle katılmaya çağırıyoruz. Gelin hep birlikte ölen ve yaralanan inşaat işçilerini önemsediğimizi afişler, pankartlar, flash moblar, çıkartmalar ve kendi eylemlerimizle gösterelim!

Sloganlar ve talepler için fikirleri burada bulabilirsiniz:

Нет „празднику“ на крови погибших!

С 2015 года компания Unibail-Rodamco-Westfield строит в Hafencity масштабный комплекс класса люкс: торгово-развлекательный центр, элитные апартаменты, круизный терминал и гостиницу. Стоимость проекта составляет 1,6 миллиарда евро.

На фоне скандала с Эльбской филармонией — с её перерасходом и задержками — из проекта вышел первоначальный инвестор. Новый застройщик взял курс на жёсткую экономию, что в результате привело к нарушениям санитарных норм, заниженной оплате труда и игнорированию техники безопасности.

30 октября 2023 года на стройке погибли пятеро албанских рабочих. До этого — один румынский. Многие получили тяжёлые травмы. Такова цена экономии на безопасности. Несмотря на всё, открытие центра запланировано на 8 апреля: утром — приём для инвесторов, Сената и градостроителей. А с 16:00 — праздник для «подлого народа». Как будто ничего не случилось.

Мы призываем всех жителей и работающих в Hafencity к солидарности. Участвуйте в собственных акциях — с плакатами, баннерами, флешмобами, стикерами и чем угодно. Покажем, что смерть на стройке — не мелочь, которую можно замести под ковёр ради красивой витрины.

Идеи для лозунгов и требований вы найдёте здесь:

Die Warnstreikwelle im Baugewerbe 2024

Nach gescheiterten Tarifverhandlungen und gescheiterter Schlichtung zwischen der Baugewerkschaft (IG BAU, Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt) und dem Baukapital (Tarifgemeinschaft des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie und des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes) hatte die IG BAU am 03.05.2024 zu Warnstreiks aufgerufen. Die Auseinandersetzung betraf das Bauhauptgewerbe und somit offiziell rund 930.000 Beschäftigte (1).

Darum ging es bei der Tarifverhandlung: Die Ausgangsforderung der IG BAU war eine Sockellohnerhöhung von 500 € bei einer Tariflaufzeit von 12 Monaten. Im Schlichtungsverfahren war die Gewerkschaft jedoch bereit, das Ergebnis von 250 € Sockellohnerhöhung für 11 Monate und anschließend einen Anstieg von 4 % im Westen und 5 % im Osten bei einer Laufzeit von 2 Jahren zu akzeptieren. Die Kapitalseite lehnte jedoch am 03.05.24 den Schlichterspruch ab und forderte die Firmen dazu auf, freiwillige Lohnerhöhungen um 5 % im Westen und 6 % im Osten zu bewilligen. Hierauf reagierte die IG BAU mit einem Aufruf zu Warnstreiks. Eine freiwillige Lohnerhöhung wäre eine außertarifliche und lückenhafte Umsetzung der Forderungen und war ein Versuch, die Beschäftigten zu spalten. Denn etwa 42% aller Arbeitnehmenden werden nicht nach Tarif bezahlt (2). 

Die Warnstreiks waren als Strategie der Nadelstiche organisiert, es sollte also bei punktuellen Ausständen bleiben (3). Innerhalb von drei Wochen streikten in vielen Dutzenden Städten jeweils einige Hunderte ArbeiterInnen für die Ursprungsforderung von 500 € mehr pro Monat. Es gab dabei größere Kundgebungen mit 1.000 Teilnehmenden in Bremen und 2.000 Demonstrierenden in Düsseldorf. In der ersten Woche waren rund 12.500 Arbeiter:innen an den Streiks beteiligt (4) und insgesamt brachten mehrere Zehntausend ihre Verärgerung über die Ablehnung des Schlichtungsspruchs zum Ausdruck. Zum Teil wurde der Kampf als aktiver Streik geführt. Das sah dann zum Beispiel folgendermaßen aus: „In München trafen sich wieder etliche Kolleg*innen frühmorgens im Streiklokal. Der anschließende Streikspaziergang führte erst zu einem Abschnitt der Stammstrecke in der Nähe der Donnersberger Brücke. Dort waren einige Bauleute zu überzeugen, dass Warnstreiks jetzt das richtige Mittel sind, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Danach ging es per S-Bahn in Richtung Hauptbahnhof. Auch dort wird gerade massiv gebaut, vor allen Dingen sehr beengt und deshalb logistisch etwas heikel. Die warnstreikenden Baubeschäftigten entschlossen sich kurzerhand, die Einfahrt etwas zu beeinträchtigen und sorgten damit für einiges an Verzögerung, bis hin zum Stillstand der Baustelle, auf der sich Kolleg*innen den Streikenden anschlossen. Die Stammstrecke zwei, eh schon in den Schlagzeilen, ist eine gute Möglichkeit, Warnstreikziele zu erreichen. Getreu dem Motto ‚Kleine Meute – große Wirkung‘ ließ man den Streiktag beim gemeinsamen Grillen ausklingen“ (5).

Am 28.05.24 kam es erneut zu einem Verhandlungsergebnis, dem die Kapitalseite verbandsintern später auch wirklich zustimmte (6). Statt der Sockellohnerhöhung um 250 € pro Monat beim Schlichtungsergebnis kommt es rückwirkend zum 01.05.24 zu einem Anstieg um 260-380 €, am 01.04.25 zu einer Steigerung von 4,2 % im Westen und 5% im Osten (statt zuvor 4 und 5%) und am 01.04.26 zu einer vollständigen Angleichung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen im Osten sowie zu einer bundeseinheitlichen Anhebung um 3,9 %. Die Spanne selbst ergibt sich aus unterschiedlichen Steigerungen je nach Gehaltsgruppe und Tarifgebiet. Das Gehalt für die Gehaltsgruppe A-I (z.B. Angestellter ohne Berufsausbildung) steigt im Westen um 260€. In der Gehaltsgruppe A-X  (z.B. Angestellte mit besonderer Weisungsbefugnis) steigt es im Osten um 380€. (7)

Trotz der dreijährigen Laufzeit – bei unabsehbaren gesellschaftlichen Entwicklungen und Preisveränderungen – spricht die IG BAU von einem Streikerfolg (vergl. Anm. 5). Für sie handelt es sich um eine ganz außerordentliche Situation, denn der erste bundesweite reguläre Streik seit Gründung der BRD, also seit 1949, erfolgte im Jahr 2002 – nach 53 Jahren. Und seit 2002 wiederum erfolgte die erste bundesweite Mobilisierung, jetzt auf dem Niveau von Warnstreiks.

Arbeitsbedingungen in der Baubranche

In dieser knochenharten Branche haben sich die Arbeitsbedingungen arg verschlechtert. Im Baugewerbe gibt es keine Überstundenzuschläge (stattdessen Arbeitszeitkonten im Rahmen der Flexibilisierung), keine Schmutzzuschläge und Ähnliches mehr. Der Bau-Mindestlohn für Ungelernte und Fachkräfte ist gefallen.

Eine weitere Besonderheit der Branche ist der hohe Anteil von migrantischen und nicht-deutschsprachigen Arbeitenden, die durch Sprachbarrieren nur mit Schwierigkeiten an dieser Tarifauseinandersetzung teilhaben konnten. Viel eher waren nicht-deutschsprachige Arbeitende gar nicht darüber informiert und haben – wegen ihrer oftmals noch prekäreren Arbeitssituation – während des Streiks gearbeitet. Das wurde teilweise von gewerkschaftlich organisierten Arbeitenden als willentlicher Streikbruch gesehen. 

Eine Spaltung der Arbeitenden muss in jedem Fall vermieden werden. Alle Arbeitenden sollten in die Vorbereitungen und Durchführungen von Arbeitskämpfen einbezogen werden und auch von deren Ergebnissen profitieren. 

Die Bau FAU Hamburg (Arbeitsgruppe Bau der FAU Hamburg) solidarisiert sich mit allen Streikenden im Baugewerbe.

Die Bau FAU Hamburg solidarisiert sich auch und vor allem mit denen, die nicht streiken können!

  1. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/5734/umfrage/beschäftigte-im-bauhauptgewerbe-in-Deutschland-seit-2003
  1. Hohendammer, C. & Kohaut, S. (2023): Tarifbindung und Mitbestimmung: Keine Trendumkehr in Westdeutschland, Stabilisierung in Ostdeutschland, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: IAB-Forum 20.07.23, Nürnberg, Tabelle 2
  1. https://igbau.de/Warnstreiks-am-Bau-Verkehrsinfrastruktur-betroffen.html
  1. https://igbau.de/Streiks-werden-auf-Verkehrsinfrastruktur-Baustellen-ausgedehnt.hrml
  1. https://igbau.de/Warnstreiks-am-Bau-Weiterhin-groszer-Zulauf.html
  1. https://igbau.de/Update-17.-juni-jetzt-mit-video-tarifabschluss-am-bau-unser-aller-erfolg.html
  1. IG BAU (2024). Broschüre „Respekt für unsere Arbeit. WOW! Das hat sich gelohnt.“ zur Zusammenfassung der Lohnerhöhungen im Baugewerbe 2024. Nur für IG BAU-Mitglieder.