Solidarität mit Jeremias – FAU Hamburg unterstützt Kolleg*innen in Gniezno, Polen bei ihrem Streik

Die FAU Hamburg und die FAU Lübeck sind solidarisch mit dem Streik der polnischen Kolleg*innen unserer Schwestergewerkschaft Inicjatywa Pracownicza (IP) in der Firma Jeremias in Gniezno! Seit dem 3. Juni streiken 80% der Produktionsarbeiter*innen in dem 300 Beschäftigten zählenden Werk. Sie kämpfen für 180 Euro monatliche Lohnerhöhung, längere bezahlte Pausen und dass die Überstunden nach einem Monat ausbezahlt werden, nicht erst nach einem Jahr.

Wir sehen es als unsere Aufgabe, über den Streik und die schlimmen Arbeitsbedingungen zu informieren und eine Gegenöffentlichket über die deutsche Muttergesellschaft Jeremias Abgastechnik GmbH mit Sitz in Wassertrüdingen, Bayern, zu schaffen. Die Jeremias-Geschäftsführer Stefan Engelhardt, Wolfgang Geiser und Christoph Wißmüller müssen den Forderungen der streikenden Arbeiter*innen in Gniezno umgehend zustimmen, die zwei entlassenen Mitglieder der IP wieder einstellen und die US-Anwaltskanzlei Littler zurückpfeifen.

Wir teilen die Forderungen unserer polnischen Kolleg*innen in Gänze und rufen alle Syndikate und Sektionen der FAU auf, sich anzuschließen.

Als Zeichen unserer Solidarität werden wir 500 Euro in den Streikfonds der Kolleg*innen einzahlen.

Haltet durch, wir stehen solidarisch an Eurer Seite! Solidarność na zawsze!

FAU Hamburg und FAU Lübeck

Solidarity and support for our Polish colleagues and their strike

The FAU Hamburg and the FAU Lübeck are in solidarity with the strike of the Polish colleagues of our sister union Inicjatywa Pracownicza (IP) at the Jeremias company in Gniezno! Since June 3, 80% of the production workers at the plant, which employs 300 people, have been on strike. They are fighting for a 180 euro monthly wage increase, longer paid breaks and for overtime to be paid out after one month, not after one year.

We see it as our task to inform about the strike and the terrible working conditions and to create a counter-publicity about the German parent company Jeremias Abgastechnik GmbH, based in Wassertrüdingen, Bavaria. The Jeremias managing directors Stefan Engelhardt, Wolfgang Geiser and Christoph Wißmüller must immediately agree to the demands of the striking workers in Gniezno, reinstate the two dismissed members of the IP and call off the US law firm Littler.

We fully share the demands of our Polish colleagues and call on all syndicates and sections of the FAU to join in solidarity.

As a sign of our solidarity, we will pay 500 euros into the colleagues‘ strike fund.

Hang in there, we stand by your side in solidarity! Solidarność na zawsze!

FAU Hamburg and FAU Lübeck

Solidaridad y apoyo a nuestros compañeros polacos y a su huelga

¡La FAU de Hamburgo y la FAU de Lübeck se solidarizan con la huelga de los compañeros polacos de nuestro sindicato hermano Inicjatywa Pracownicza (IP) en la empresa Jeremias de Gniezno! Desde el 3 de junio, el 80% de los trabajadores de producción de la planta, que emplea a 300 personas, están en huelga. Luchan por un aumento salarial mensual de 180 euros, pausas pagadas más largas y que las horas extraordinarias se paguen al cabo de un mes, no de un año.

Consideramos que nuestra tarea es informar sobre la huelga y las terribles condiciones de trabajo y crear una contrapublicidad sobre la empresa matriz alemana Jeremias Abgastechnik GmbH, con sede en Wassertrüdingen (Baviera). Los directores generales de Jeremias, Stefan Engelhardt, Wolfgang Geiser y Christoph Wißmüller, deben acceder inmediatamente a las demandas de los trabajadores en huelga de Gniezno, readmitir a los dos miembros despedidos del PI y desistir del bufete de abogados estadounidense Littler.

Compartimos plenamente las reivindicaciones de nuestros compañeros polacos y hacemos un llamamiento a todos los sindicatos y secciones de la FAU para que se unan en solidaridad.

Como muestra de nuestra solidaridad, ingresaremos 500 euros en el fondo de huelga de los compañeros

Aguantad, ¡estamos a vuestro lado en solidaridad! ¡Solidarność na zawsze!

FAU Hamburgo y FAU Lübeck

Solidarność i wsparcie dla naszych polskich kolegów i ich strajku

FAU Hamburg i FAU Lubeka solidaryzują się ze strajkiem polskich kolegów z naszego siostrzanego związku Inicjatywa Pracownicza (IP) w firmie Jeremias w Gnieźnie! Od 3 czerwca strajkuje 80% pracowników produkcyjnych w zakładzie zatrudniającym 300 osób. Walczą oni o podwyżkę wynagrodzeń o 180 euro miesięcznie, dłuższe płatne przerwy oraz o to, by nadgodziny były wypłacane po miesiącu, a nie po roku.

Uważamy, że naszym zadaniem jest informowanie o strajku i strasznych warunkach pracy oraz tworzenie kontrreklamy na temat niemieckiej spółki macierzystej Jeremias Abgastechnik GmbH z siedzibą w Wassertrüdingen w Bawarii. Dyrektorzy zarządzający Jeremias, Stefan Engelhardt, Wolfgang Geiser i Christoph Wißmüller, muszą natychmiast zgodzić się na żądania strajkujących pracowników w Gnieźnie, przywrócić do pracy dwóch zwolnionych członków IP i odwołać amerykańską kancelarię prawną Littler.

W pełni podzielamy żądania naszych polskich kolegów i wzywamy wszystkie syndykaty i sekcje FAU do solidarności.

Na znak naszej solidarności wpłacimy 500 euro na fundusz strajkowy kolegów.

Trzymajcie się, stoimy solidarnie po waszej stronie! Solidarność na zawsze!

FAU Hamburg i FAU Lubeka

Solidarität mit dem Streik bei Jeremias in Polen!

Solidarität mit dem Streik der polnischen Kolleg* innen unserer Schwestergewerkschaft Inicjatywa Pracownicza (IP) in der Firma Jeremias in Gniezno! Seit dem 3. Juni streiken 80% der Produktionsarbeiter*innen in dem 300 Beschäftigten zählenden Werk. Sie kämpfen für 180 Euro monatliche Lohnerhöhung, längere bezahlte Pausen und dass die Überstunden nach einem Monat ausbezahlt werden, nicht erst nach einem Jahr.

Die deutsche Muttergesellschaft Jeremias Abgastechnik GmbH mit Sitz in Wassertrüdingen, Bayern hat ihren Umsatz zwischen 2015 und 2023 von 64 auf 210 Millionen Euro mehr als verdreifacht. Der fünfköpfige Vorstand der polnischen Tochterfirma zahlte sich selbst in 2024 über 1,8 Millionen Złoty (eine knappe halbe Million in Euro) aus. Gleichzeitig sollen die polnischen Arbeiter*innen mit Löhnen unter Branchendurchschnitt die Gewinne erwirtschaften. Das Unternehmen kassiert sogar staatliche Beihilfen für Gefangenenarbeit.

Der Arbeitskonflikt dauert bereits über acht Monate und mündete am 3.6. nach erfolgreicher Urabstimmung in den jetzigen Streik. Die Geschäftsführung hat zwei Gewerkschafter der IP entlassen und versucht die Streikenden in einem Lagerhaus ohne Wasserzugang zu isolieren. Sie droht mit Produktionsverlagerung und hat die US-Anwaltskanzlei Littler beauftragt, die Rechtmäßigkeit des Streiks anzufechten.

Die Kolleg_innen arbeiten unter schwierigen und gefährlichen Bedingungen mit schweren Metallteilen und schädlichen Chemikalien. Die schlechten Arbeitsbedingungen in Polen drücken auch die Standards in Deutschland. Deshalb rufen wir als FAU und IP besonders die deutschen Kolleg*innen im Stammwerk Wassertrüdingen auf: Lasst euch nicht als Streikbrecher missbrauchen! Der Streik in Gniezno ist auch im Interesse der Beschäftigten in Wassertrüdingen.

Unterstützt den Streik:

Solidarity Forever! Solidarność na zawsze!
FAU Hamburg

Die Warnstreikwelle im Baugewerbe 2024

Nach gescheiterten Tarifverhandlungen und gescheiterter Schlichtung zwischen der Baugewerkschaft (IG BAU, Industriegewerkschaft Bauen Agrar Umwelt) und dem Baukapital (Tarifgemeinschaft des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie und des Zentralverbandes des Deutschen Baugewerbes) hatte die IG BAU am 03.05.2024 zu Warnstreiks aufgerufen. Die Auseinandersetzung betraf das Bauhauptgewerbe und somit offiziell rund 930.000 Beschäftigte (1).

Darum ging es bei der Tarifverhandlung: Die Ausgangsforderung der IG BAU war eine Sockellohnerhöhung von 500 € bei einer Tariflaufzeit von 12 Monaten. Im Schlichtungsverfahren war die Gewerkschaft jedoch bereit, das Ergebnis von 250 € Sockellohnerhöhung für 11 Monate und anschließend einen Anstieg von 4 % im Westen und 5 % im Osten bei einer Laufzeit von 2 Jahren zu akzeptieren. Die Kapitalseite lehnte jedoch am 03.05.24 den Schlichterspruch ab und forderte die Firmen dazu auf, freiwillige Lohnerhöhungen um 5 % im Westen und 6 % im Osten zu bewilligen. Hierauf reagierte die IG BAU mit einem Aufruf zu Warnstreiks. Eine freiwillige Lohnerhöhung wäre eine außertarifliche und lückenhafte Umsetzung der Forderungen und war ein Versuch, die Beschäftigten zu spalten. Denn etwa 42% aller Arbeitnehmenden werden nicht nach Tarif bezahlt (2). 

Die Warnstreiks waren als Strategie der Nadelstiche organisiert, es sollte also bei punktuellen Ausständen bleiben (3). Innerhalb von drei Wochen streikten in vielen Dutzenden Städten jeweils einige Hunderte ArbeiterInnen für die Ursprungsforderung von 500 € mehr pro Monat. Es gab dabei größere Kundgebungen mit 1.000 Teilnehmenden in Bremen und 2.000 Demonstrierenden in Düsseldorf. In der ersten Woche waren rund 12.500 Arbeiter:innen an den Streiks beteiligt (4) und insgesamt brachten mehrere Zehntausend ihre Verärgerung über die Ablehnung des Schlichtungsspruchs zum Ausdruck. Zum Teil wurde der Kampf als aktiver Streik geführt. Das sah dann zum Beispiel folgendermaßen aus: „In München trafen sich wieder etliche Kolleg*innen frühmorgens im Streiklokal. Der anschließende Streikspaziergang führte erst zu einem Abschnitt der Stammstrecke in der Nähe der Donnersberger Brücke. Dort waren einige Bauleute zu überzeugen, dass Warnstreiks jetzt das richtige Mittel sind, um unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Danach ging es per S-Bahn in Richtung Hauptbahnhof. Auch dort wird gerade massiv gebaut, vor allen Dingen sehr beengt und deshalb logistisch etwas heikel. Die warnstreikenden Baubeschäftigten entschlossen sich kurzerhand, die Einfahrt etwas zu beeinträchtigen und sorgten damit für einiges an Verzögerung, bis hin zum Stillstand der Baustelle, auf der sich Kolleg*innen den Streikenden anschlossen. Die Stammstrecke zwei, eh schon in den Schlagzeilen, ist eine gute Möglichkeit, Warnstreikziele zu erreichen. Getreu dem Motto ‚Kleine Meute – große Wirkung‘ ließ man den Streiktag beim gemeinsamen Grillen ausklingen“ (5).

Am 28.05.24 kam es erneut zu einem Verhandlungsergebnis, dem die Kapitalseite verbandsintern später auch wirklich zustimmte (6). Statt der Sockellohnerhöhung um 250 € pro Monat beim Schlichtungsergebnis kommt es rückwirkend zum 01.05.24 zu einem Anstieg um 260-380 €, am 01.04.25 zu einer Steigerung von 4,2 % im Westen und 5% im Osten (statt zuvor 4 und 5%) und am 01.04.26 zu einer vollständigen Angleichung der Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen im Osten sowie zu einer bundeseinheitlichen Anhebung um 3,9 %. Die Spanne selbst ergibt sich aus unterschiedlichen Steigerungen je nach Gehaltsgruppe und Tarifgebiet. Das Gehalt für die Gehaltsgruppe A-I (z.B. Angestellter ohne Berufsausbildung) steigt im Westen um 260€. In der Gehaltsgruppe A-X  (z.B. Angestellte mit besonderer Weisungsbefugnis) steigt es im Osten um 380€. (7)

Trotz der dreijährigen Laufzeit – bei unabsehbaren gesellschaftlichen Entwicklungen und Preisveränderungen – spricht die IG BAU von einem Streikerfolg (vergl. Anm. 5). Für sie handelt es sich um eine ganz außerordentliche Situation, denn der erste bundesweite reguläre Streik seit Gründung der BRD, also seit 1949, erfolgte im Jahr 2002 – nach 53 Jahren. Und seit 2002 wiederum erfolgte die erste bundesweite Mobilisierung, jetzt auf dem Niveau von Warnstreiks.

Arbeitsbedingungen in der Baubranche

In dieser knochenharten Branche haben sich die Arbeitsbedingungen arg verschlechtert. Im Baugewerbe gibt es keine Überstundenzuschläge (stattdessen Arbeitszeitkonten im Rahmen der Flexibilisierung), keine Schmutzzuschläge und Ähnliches mehr. Der Bau-Mindestlohn für Ungelernte und Fachkräfte ist gefallen.

Eine weitere Besonderheit der Branche ist der hohe Anteil von migrantischen und nicht-deutschsprachigen Arbeitenden, die durch Sprachbarrieren nur mit Schwierigkeiten an dieser Tarifauseinandersetzung teilhaben konnten. Viel eher waren nicht-deutschsprachige Arbeitende gar nicht darüber informiert und haben – wegen ihrer oftmals noch prekäreren Arbeitssituation – während des Streiks gearbeitet. Das wurde teilweise von gewerkschaftlich organisierten Arbeitenden als willentlicher Streikbruch gesehen. 

Eine Spaltung der Arbeitenden muss in jedem Fall vermieden werden. Alle Arbeitenden sollten in die Vorbereitungen und Durchführungen von Arbeitskämpfen einbezogen werden und auch von deren Ergebnissen profitieren. 

Die Bau FAU Hamburg (Arbeitsgruppe Bau der FAU Hamburg) solidarisiert sich mit allen Streikenden im Baugewerbe.

Die Bau FAU Hamburg solidarisiert sich auch und vor allem mit denen, die nicht streiken können!

  1. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/5734/umfrage/beschäftigte-im-bauhauptgewerbe-in-Deutschland-seit-2003
  1. Hohendammer, C. & Kohaut, S. (2023): Tarifbindung und Mitbestimmung: Keine Trendumkehr in Westdeutschland, Stabilisierung in Ostdeutschland, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: IAB-Forum 20.07.23, Nürnberg, Tabelle 2
  1. https://igbau.de/Warnstreiks-am-Bau-Verkehrsinfrastruktur-betroffen.html
  1. https://igbau.de/Streiks-werden-auf-Verkehrsinfrastruktur-Baustellen-ausgedehnt.hrml
  1. https://igbau.de/Warnstreiks-am-Bau-Weiterhin-groszer-Zulauf.html
  1. https://igbau.de/Update-17.-juni-jetzt-mit-video-tarifabschluss-am-bau-unser-aller-erfolg.html
  1. IG BAU (2024). Broschüre „Respekt für unsere Arbeit. WOW! Das hat sich gelohnt.“ zur Zusammenfassung der Lohnerhöhungen im Baugewerbe 2024. Nur für IG BAU-Mitglieder.

Der erste Mai aus historischer Perspektive

Rudoph Rocker zum 1. Mai:
„Ein Symbol ist uns der erste Mai, ein Symbol der sozialen Befreiung im Zeichen der direkten Aktion, die im Generalstreik ihren vollendetsten Ausdruck findet. Alle, die im Frone schmachten und denen die tägliche Sorge um die Existenz ihren Stempel aufdrückt, die ganze ungeheure Armee derer, welche die Schätze der Unterwelt zu Tage fördern, am Hochofen stehen oder den Pflug durch die Felder führen, alle die Millionen, die in ungezählten Fabriken und Werkstätten dem Kapital seinen menschenfressenden Tribut entrichten müssen, die Hand- und Kopfarbeiter aller Kontinente, sie alle sind Teile jenes großen und unbesiegbaren Bundes, aus dessen Tiefen uns eine neue Zukunft kommen wird, sobald die Erkenntnis ihres trostlosen Daseins den einzelnen Gliedern machtvoll zum Bewußtsein kommen wird. Auf ihren Schultern ruht eine ganze Welt; sie tragen das Schicksal jeder Gesellschaft in ihren Händen, und ohne ihre schöpferische Tätigkeit ist jedes menschliche Leben zum Tode verdammt. “Der Syndikalist“ 4. Jg. (1922), Nr. 16

Der Startschuss – Haymarket- Vorgeschichte
Die zentrale Idee der Arbeiter*innen-Bewegung des 19.Jahrhunderts war vor allem die einer kollektiven Arbeitsniederlegung, dem sozialen Generalstreik. Die englischen Gewerkschaften beschlossen für ihr Ziel des Achtstundentags einen landesweiten Streik am 1. Mai 1833 abzuhalten, der jedoch nicht umfassend realisiert werden konnte. Der entstehende Industriekapitalismus war schon für die Anfänge der Arbeiterbewegung ein starker Gegner, der Nationalismus verhinderte andererseits oft die grenzüberschreitende Solidarität
Die Gewaltfrage
Seit dem Eisenbahnerstreik in den USA von 1877 erhielten die Gewerkschaften großen Zulauf, aber sie wurden von den bezahlten Schlägern und bewaffneten Streikbrechern hart bekämpft. Die Polizei und die Presse spielten ihre entsprechende Rolle, so forderte die „New York Tribune“ zum Beispiel, dass man die Demonstrationen der streikenden Arbeiter/innen mit Handgranaten zerschlagen solle. Als bewaffnete Verteidigungsorganisationen wurden in einigen amerikanischen Städten die gewerkschaftlichen „Lehr- und Wehrvereine“ gegründet. Sie machten Schießübungen und Aufmärsche zu Gedenken der Pariser Kommune von 1871.

Der 8-Stunden-Tag
1884 wurde in den USA eine landesweite Kampagne beschlossen. So forderten die „Föderierten Gewerkschaften und Arbeitervereine der USA und Kanadas“, dass ab dem 1.Mai 1886 der legale Arbeitstag nicht mehr als 8 Stunden zu betragen hätte. Die Verringerung des (meist 10-stündigen) Arbeitstages um zwei Stunden erschien den anarchistischen Syndikalisten als reformistisch, aber trotzdem unterstützen sie die Kampagne. Die seit 1860 bestehende Forderung sollte am 1. Mai 1886 mit landesweiten Streiks endlich durchgesetzt werden. In Chicago organisierte die „Central Labor Union“ am Sonntag vor dem 1. Mai eine Großdemonstration mit rund 25.000 Teilnehmer/innen.

Haymarket
Am 1. Mai 1886 wurde der Generalstreikaufruf in den USA von 340.000 bis 350.000 Arbeiter*innen befolgt, davon von 40.000 aus Chicago. Die Unternehmer setzten Streikbrecher, Polizei und privat angeheuerte Söldnertruppen gegen die Streikenden ein.

Am 3. Mai fand in der Nähe der Landmaschinenfabrik McCormick eine Massenveranstaltung der Holzarbeitergewerkschaft statt. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Streikenden und Streikbrechenden. Bei dem anschließenden Einsatz der Polizei wurden 4 Arbeiter*innen erschossen, zahlreiche wurden verletzt. Einen Tag später versammelten sich aus Protest darüber über 2.000 Menschen  auf dem Chicagoer Haymarket. Als die friedliche Versammlung sich aufzulösen begann, wurden die verbliebenen 300 Demonstrierenden ohne erkennbaren Grund von 200 Polizisten angegriffen . Augenblicke später detonierte eine Bombe in den Reihen der Polizeikräfte, die von einem Unbekannten geworfen wurde. Bis heute ist nicht geklärt, ob es sich um einen Provokateur handelte. Die Polizei eröffnete sofort das Feuer auf die fliehenden Männer, Frauen und Kinder. In der Folge kam ein Polizist ums Leben  und in einer folgenden Schießerei 6 Polizisten und 7 oder 8 Arbeiter*innen wurden getötet, hinzu kamen 30 – 40 Verletzte.

Diese Ereignisse lieferten Staatsmacht und Unternehmertum nun einen Vorwand um gegen die Arbeiter*innenbewegung vorzugehen. Bereits in den frühen Morgenstunden des folgenden Tages begann die Polizei eine großangelegte Repressionswelle : es gab unzählige Hausdurchsuchungen, hunderte von Verhaftungen und Verhöre. Von Seiten der Staatsanwaltschaft gab es grünes Licht für Rechtsbrüche aller Art : „Machen sie erst die Razzien und schauen danach im Gesetz nach.“. Die Polizei zögerte nicht, selbst angelegte Waffenlager aufzudecken und diese als Beweise für eine anarchistische Verschwörung zu benutzen. Begleitet und gerechtfertigt wurden diese Machenschaften von hetzerischen Zeitungsberichten, die große Teile der Chicagoer Presse verbreiteten. Von den unzähligen Verhafteten und auch Angeklagten wurden letztendlich acht bekannte und aktive Anarchisten des Mordes angeklagt. Obwohl bewiesen war, dass keiner der Angeklagten die Tat hätte begehen können, wurde gegen sie ein Schauprozess eröffnet. Da es keine Beweise für die Mordanklage gab, hieß es danach, sie seien an einer Verschwörung beteiligt gewesen und hätten Artikel verfasst, in denen zum Umsturz der bestehenden Verhältnisse aufgerufen worden sei. Damit seien sie verantwortlich für die Tat, da sie die Täter inspiriert hätten. Am 20. August 1886 wurden die Todesurteile gegen die Angeklagten verkündet. Die Schlussreden der zu Unrecht Verurteilten wurden als „Anklagen der Angeklagten“ weltberühmt. Sie waren ein Manifest gegen die Ausbeutung und für eine freie,
menschliche Gesellschaft ohne soziale Ungerechtigkeit.

Der Prozess
Durch voreingenommene Geschworene, eingeschüchterte und bestochene Zeugen, fehlende Beweise und die begleitende Hetze der Presse, sollte der Prozess zum Schauprozess werden, woraus die Staatsanwaltschaft keinen Hehl machte: „Das Gesetz klagt die Anarchie an! Diese Männer wurden anstelle von Tausenden vor Gericht gestellt, nicht etwa, weil sie schuldiger sind, sondern weil sie deren Anführer waren. Gentlemen! Statuiert ein Exempel an ihnen, hängt sie! Nur so retten wir unsere Institutionen, unsere Gesellschaftsordnung!“ Das Urteil stand schnell fest: Sieben Angeklagte wurden zum Tode, weitere zu langer Haftstrafe verurteilt. Später wurden sie für unschuldig und zu Opfern eines Justizmordes erklärt.

Streiken heute
Seit Beginn der Arbeiter*innenbewegung hat es immer von Seiten der herrschenden Klasse Bemühungen unterschiedlichster Art gegeben diese zu zerschlagen Rechte nicht zu gewähren oder zurückzunehmen. Streikbewegungen wurden dabei moralisch diskreditiert oder mit staatlicher Repression und Gewalt überzogen. Auch wenn die Anwendung staatlicher Gewalt und Repression heute hierzulande sicherlich geringer ausfällt als noch im 19. Jahrhundert, so müssen wir uns doch immer wieder daran erinnern, dass die herrschende Klasse des Kapitalismus auch weiter nicht gewillt ist Arbeiter*innen Wohltaten zukommen zu lassen, sofern dies nicht in ihren eigenen Interessen liegt. So kommt es, dass zu einem Zeitpunkt, da die Streiks sich in jüngster Zeit wieder vermehrt haben Unternehmertum, bürgerliche Presse und Medien und auch Vertreter*innen der Parteipolitik sich zu Wort melden um Streiks und ihre Forderungen zu diskreditieren und in ein schlechtes Licht zu setzen. Beschworen wird dabei wieder einmal ein klassenübergreifendes, nationalistisches „Wir“ Gefühl, wenn es dem Wirtschaftsminister darum geht Forderungen klein zu reden und im Sinne der Profitsicherung und Gewinnmaximierung eher davon zu sprechen mehr statt weniger zu arbeiten. Streikende mit berechtigten Forderungen sind hier die Störenfriede, wenn es um die Sicherung der Profite der Volkswirtschaft im Sinne nationalistischer Standortlogik geht. In Betracht gezogen werden nun Eingriffe in ein ohnehin schon repressives Streikrecht. Ob und in welcher Form die Maßnahmen eines Streikes als angemessen und legitim aufgefasst werden unterliegt immer wieder Richtersprüchen, welche formal auf einen Ausgleich der Interessen hinarbeiten, letztlich jedoch Teil eines kapitalistischen Staates sind. So kommt es auch jetzt schon immer wieder zu Eingriffen gegenüber dem Grundrecht auf Streiks und dem Schutz der Arbeitskampffreiheit nach Art.9 III GG. Dies geschieht auf Grundlage der sogenannten Verhältnismäßigkeit. Das diese Abwägung nicht selten zu Gunsten der Arbeitgebenden ausfällt, dürfte in diesem Zusammenhang kaum überraschen. So ist der Bereich der Daseinsvorsorge schon jetzt besonders eingeschränkt und begrenzt. Hierbei wird besonders auf die Betroffenheit Dritter hingewiesen, in diesem Falle abhängige Patient*innen und Klient*innen in Krankenhäusern, Bildungseinrichtungen wie Kindergärten, Altenheimen, Sozialeinrichtungen oder eben auch eine Vielzahl von Bahnreisenden und Güterverkehr. Die Grenzen des Streikrechtes werden also nicht nur einzelfallbezogen und in einigen Bereichen sowieso schon enger ausgelegt. Das sind konkret Bereiche, die tendenziell nicht zu den bestbezahlten Berufszweigen zählen. Arbeitnehmende sind hier häufig durch Schichtdienst und Personalengpässe stark belastet. Da mag man zu Corona-Zeiten noch sehr als systemrelevant beklatscht worden sein, verbessert jedoch keine Arbeitsbedingungen. Eine mögliche weitere Einschränkung des Streikrechts in diesen Bereichen ist ein Angriff auf uns alle.

Wie uns die Geschichte des 01. Mai lehrt, ist Arbeitskampf eben genau das: Ein Kampf um die Verbesserung unserer Lebensumstände. Wie schon so oft stehen und Staat und Kapital feindlich gegenüber. Wo man uns Rechte nicht zugesteht, da werden wir sie uns selbst organisiert, solidarisch, bunt und kreativ nehmen!